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Gerhard, stell Dir vor...

DEBATTE

Gerhard, stell Dir vor...

 
Von Henryk M. Broder


20 Menschen wurden beim jüngsten Selbstmordanschlag einer Palästinenserin in einem Restaurant bei Haifa zerfetzt. Dutzende wurden verletzt, werden für immer verstümmelt bleiben. Den darauf folgenden israelischen Vergeltungsschlag in Syrien kritisierte Kanzler Schröder scharf. Eine Antwort an einen Freund.

Lieber Gerhard, gestern hast Du bei einem Auftritt vor der Presse in Kairo gesagt, es sei "die Souveränität eines anderen Landes verletzt" worden, eine solche "Aktion" sei "nicht akzeptabel".

Ich war mir sicher, Du würdest den Terror-Anschlag meinen, denn die Souveränität eines Landes äußert sich vor allem darin, dass die Regierung die Sicherheit der Bürger garantiert. Ist die Sicherheit dahin, durch internen oder externen Terror, kann von einer Souveränität keine Rede mehr sein. Dann herrschen afghanische oder somalische Zustände. Erst nachdem ich den Bericht von der Pressekonferenz in Kairo zum zweiten und dritten Mal gesehen hatte, wurde mir klar: Du hast nicht den Anschlag gemeint, sondern die israelische Reaktion darauf, nämlich das Bombardement mutmaßlicher Dschihad-Lager auf syrischem Territorium.

Nun muss man, seitdem Du den "deutschen Weg" ausgerufen hast, auf alles gefasst sein. Ich habe auch Verständnis dafür, dass Du, fern von deutschen Dramen, weit weg von Dosenpfand, Wegemaut und Olaf Scholz, dem Bedürfnis nachgibst, wie Chirac aufzutreten und wie Putin zu reden. Und das kannst Du wirklich gut. So kurz nach einem Massaker an Menschen sich Sorgen um die verletzte Souveränität eines Landes zu machen, das kaum mehr ist als ein feudalistischer Familienbetrieb mit einem Sitz in der Uno, das ist schon eine großartige staatsmännische Leistung.

Was Dich also umtreibt, das ist die Sorge um die verletzte Souveränität eines Landes, das Terroristen ausbildet und fördert, die sich ihrerseits um die Souveränität anderer Länder so kümmern wie Mohammed Atta um den Service an Bord der von ihm gesteuerten Maschine. So was gab's schon einmal. 1976, da warst Du noch ein wilder Juso und vom Bundeskanzleramt so weit entfernt wie Dieter Bohlen vom Literaturnobelpreis, wurde eine Air-France-Maschine auf dem Flug von Paris nach Tel Aviv von arabischen Terroristen nach Entebbe in Uganda entführt. Ohne auf die Souveränität des von Idi Amin regierten Landes Rücksicht zu nehmen, schickte Israel ein Kommando, das die jüdischen Geiseln befreite, die vorher von deutschen Assistenten der arabischen Terroristen rausselektiert worden waren.

Angemessen wäre es gewesen, wenn sich fortschrittliche deutsche Menschen über die Entführung und die anschließende Judenselektion empört hätten. Aber das war nicht der Fall. Nach der Befreiung der Geiseln wurden Proteste laut - gegen "die flagrante Verletzung der Souveränität Ugandas" durch die israelischen Angreifer, wie es in den Offenen Briefen hieß, die damals von progressiven Gruppen und Organisationen an Idi Amin geschrieben wurden. Schon damals war die verletzte Souveränität einer Operetten-Republik mehr wert als das Leben von Menschen, die von Terroristen als Geiseln genommen wurden. Dabei ist die staatliche Souveränität auch aufgeklärten europäischen Staatsmännern hin und wieder ziemlich lästig. Zum Beispiel im Krieg gegen Milosevic, als die Nato Belgrad bombardierte - ohne Uno-Mandat. Oder Anfang des Jahres, als französische Interventionstruppen in die Elfenbeinküste einmarschierten, um dort gefährdete Franzosen zu evakuieren - ohne Einladung der dortigen Regierung. Kein Mensch regte sich über die flagrante Verletzung der Souveränität der Elfenbeinküste auf. Offenbar kommt es nicht darauf an, wessen Souveränität verletzt wird, sondern wer der Verletzer ist. Und da gelten für Israel ein paar Sonderregeln.
Natürlich kann und muss man die israelische Besatzungspolitik kritisieren. Hätte Israel die besetzten Gebiete nach 1967 bzw. 1973 annektiert, statt sie als Faustpfand für Friedensverhandlungen zu behalten, so wie China Tibet überfallen und annektiert hat und sich seitdem jede Kritik als Einmischung in innere Angelegenheiten erfolgreich verbietet, müsste heute kein EU-Kommissar nach Ramallah reisen, um Arafat in seinem zerbombten Hauptquartier zu besuchen. Nicht nur Andre Brie von der PDS preist den "legitimen Widerstand" der Palästinenser, und nicht nur Jörg Zink, der Star aller evangelischen Kirchentage, bewundert die Selbstmord-Attentäter, weil sie ihr Leben "für die Sache ihres Volkes" hingeben.

Ganz allgemein hat sich inzwischen in Deutschland, wo Parken gegen die Fahrtrichtung schon als Terror im Alltag gilt, die Ansicht durchgesetzt, dass die Israelis selber schuld sind, wenn sie nicht mehr Bus fahren oder in einem Café sitzen können, ohne um ihr Leben fürchten zu müssen. Weil sie den Palästinensern das Recht auf Selbstbestimmung verweigern. Und außerdem das Recht, in Israel unkontrolliert arbeiten und ungehindert Bomben zünden zu dürfen.

Aber all das, lieber Gerhard, mein Kanzler, ist Deine Sache nicht. Dir geht es um die verletzte Souveränität Syriens. Denn Du machst dir Sorgen um den Frieden und die Stabilität im Nahen Osten, wie Dein Außenminister, der immer wieder vollmundig "in die Region" fährt und mit leeren Taschen zurückkommt. Ich frage mich, warum er es bisher nicht geschafft hat, seinen Freund Arafat anzurufen und ihm zu sagen: "Jossi, hör mit dem Schmierentheater auf, hör auf, Dich von Anschlägen zu distanzieren, die von Deinen Leuten begangen wurden. Wenn Du nicht dafür sorgst, dass Deine Leute mit dem Terror aufhören, werden wir, der Kanzler und ich, dafür sorgen, dass Du kein Geld mehr von der EU bekommst." Das, lieber Gerhard, wäre eine friedensfördernde Maßnahme, und nicht das Geschwätz von einer europäischen Nahost-Initiative, die es nie geben wird. Und nun möchte ich mit Dir noch ein kleines Experiment durchführen. Bitte lehne Dich in Deinem Business-Class-Sitz zurück, schließe die Augen und stelle Dir folgendes vor:


1. Juni 2001: Anschlag auf das Dolphinarium in Travemünde - 21 Tote
9. August 2001: Anschlag auf die Sbarro Pizzeria in Berlin - 15 Tote
1. Dezember 2001: Anschlag in der Ben Yehuda Fußgängerzone in Berlin-Wilmersdorf - 11 Tote
2. Dezember 2001: Anschlag auf einen Bus auf dem Weg von Berlin nach Schwerin - 15 Tote
2. März 2002: Anschlag im Holländischen Viertel in Potsdam - 11 Tote
9. März 2002: Anschlag auf das Cafe "Moment" in Berlin-Mitte - 11 Tote
20. März 2002: Anschlag auf einen Bus in der Nähe von Berchtesgaden - sieben Tote
27. März 2002: Anschlag auf ein Hotel in Bad Pyrmont während einer Familienfeier - 29 Tote
31 März 2002: Anschlag auf ein Restaurant in Hamburg - 15 Tote
10. April 2002: Anschlag auf einen Bus bei Oldenburg - acht Tote
7. Mai 2002: Anschlag auf einen Billard-Saal in Paderborn - 15 Tote
5. Juni 2002: Anschlag auf einen Bus in der Nähe von Rostock - 17 Tote
18. Juni 2002: Anschlag auf eine belebte Straßenkreuzung in Berlin - 19 Tote
9. Juni 2002: Weiterer Anschlag auf eine Straßenkreuzung in Berlin, sieben Tote
4. August 2002: Anschlag auf einen Bus in Bayern - acht Tote
21. Oktober 2002: Anschlag auf einen Bus in Niedersachsen - 14 Tote
21. November 2002: Anschlag auf einen Bus in Berlin - elf Tote
5. Januar. 2003: Anschlag in einer Berliner Fußgängerzone - 23 Tote
5. März 2003: Anschlag auf einen Bus in Mecklenburg-Vorpommern - 17 Tote
18. Mai 2003: Anschlag auf einen Bus am Rande von Berlin, sieben Tote
11. Juni 2003: Anschlag auf einen Bus in Berlin-Mitte, 17 Tote
19. August 2003: Anschlag auf einen Bus in Berlin, 23 Tote
9. September 2003: Anschlag auf einen Bus in der Nähe eines Bundeswehr-Standortes, acht Tote Soldaten
19. September. 2003: Anschlag auf das Cafe Hillel in Berlin - sieben Tote
4. Oktober 2003: Anschlag auf das Restaurant Maxim bei Rostock, 19 Tote

Und jetzt, lieber Gerhard, mach die Augen wieder auf und sag mir: Wenn das alles in Deutschland passiert wäre, so wie es in Israel passiert ist, wärst Du dann immer noch Kanzler einer demokratischen Republik und würdest Du Dir Gedanken machen über die verletzte Souveränität eines Nachbarlandes, das den Terroristen logistische Hilfe gibt? Ich wünsche dir einen guten Heimflug und eine sichere Landung.


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06 Oktober 2003



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