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Die Kunst des Terrors - der Terror als Kunst

Von Henryk M. Broder

Worum ging es wirklich in Stockholm? Um die Freiheit der Kunst? Nein. Um ein neues Reality-Format, das die Gewalt ästhetisch legitimieren soll.


REUTERS
Diplomatischer Zwischenfall: Botschafter Zvi Mazel demoliert das Kunstwerk "Schneewittchen und der Irrsinn der Wahrheit" am 16. Januar in Stockholm Da hat sich also der israelische Botschafter in Stockholm bei einer
Ausstellungseröffnung schwer danebenbenommen, hat Scheinwerfer auf das Bild einer lächelnden Selbstmordattentäterin geschleudert, und alle sind empört: die schwedische Regierung, die internationalen Künstler und auch das deutsche Feuilleton: "So etwas tut man nicht. Schon gar nicht als Diplomat."
Nur Scharon und sein Außenminister halten zu ihrem Mann in Schweden, der Mazel heißt, was "Glück" bedeutet, aber eben nur in der wörtlichen Übersetzung. Wie immer, wenn in der großen weiten Welt etwas passiert, das wir nicht gutheißen wollen, sollten wir uns fragen: Könnte bei uns so etwas auch passieren? Und wenn ja: Wie würden wir reagieren?

Die schwedische Entrüstung über den Vorfall kann mit der speziellen Form der schwedischen Liberalität erklärt werden, wo es eine besonders aktive Neonazi-Szene gibt, dafür aber Falschparker die ganze Härte des Gesetzes zu spüren bekommen. Da sind natürlich gute Manieren und die absolute Freiheit der Kunst Werte, die um jeden Preis verteidigt werden müssen.

Bei uns, wo weder der Wohlfahrtsstaat noch die Erziehungsdiktatur so weit entwickelt sind, liegen die Dinge anders. Haben wir unseren Joschka nicht dafür bewundert, dass er zu Anfang seiner Karriere auf gutes Benehmen absichtlich verzichtete? Wurde sein "Mit Verlaub, Sie sind ein Arschloch!", an den Bundestagspräsidenten gerichtet, nicht zum geflügelten Wort einer ganzen Generation? Jetzt ist der Mann Außenminister und komplett resozialisiert. Er wird sich nie mehr danebenbenehmen, nicht einmal bei einer Ausstellungseröffnung.

Wie aber würde der deutsche Botschafter, sagen wir: in Israel, reagieren, wenn ein deutscher Künstler im Tel Aviver Museum eine Installation präsentieren würde, die den Mörder von Siegfried Buback, Alfred Herrhausen oder Hanns Martin Schleyer zeigt, mit lächelndem Gesicht, inmitten einer Landschaft aus Gummibärchen, und wenn das Ganze "Prinz Eisenherz war da!" heißen würde?


AP
Künstler Gunilla Skoeld Feiler (l.) und Dror Feiler: Wenn Terror zur Kunst gerinnt Nein, der deutsche Botschafter würde nicht ausrasten und nicht mit Scheinwerfern um sich werfen, er würde nur dafür sorgen, dass das Museum keine Fördergelder mehr aus Deutschland bekommt. Ist es da nicht viel sympathischer, wenn ein Diplomat die Contenance verliert und handgreiflich wird? Wir sind doch sonst auch für Spontaneität und Unmittelbarkeit.

Wem das Beispiel zu weit entfernt erscheint, möge sich ein anderes überlegen. Wie würden die Einwohner von Erfurt reagieren, wenn ein Künstler ihnen eine Arbeit schenken würde, mit einem Porträt des Amokläufers als optischem Mittelpunkt, wenn das Werk "Zorro und der Irrsinn der Wahrheit" heißen und wenn der Künstler dazu erklären würde, er habe zeigen wollen, "dass Hilflosigkeit einsame Menschen zu furchtbaren Taten verleiten kann"? Man braucht nicht viel Phantasie, um sich die Reaktionen der Erfurter vorzustellen.

Erfurt ist nicht Stockholm, und der Amokläufer war kein "Märtyrer", der gegen Besatzung und Unterdrückung ein Zeichen setzen, sondern nur ein Versager, der sich an der Schule rächen wollte.

Vor allem aber: Die ermordeten Erfurter Schüler und Lehrer waren "unschuldige Opfer". Die 21 Israelis, die von der palästinensischen Attentäterin, deren Lächeln die Stockholmer Installation zierte, im Restaurant "Maxim" in den Tod gezwungen wurden, waren es nicht.

Ich mache keine Witze, ich zitiere nur. Denn das ist es, was mir viele Leser immer wieder klar zu machen versuchen: Israelis, die bei Anschlägen palästinensischer Terroristen ums Leben kommen, sind keine unschuldigen Opfer, sondern Kollaborateure, die zur Verantwortung gezogen werden, egal ob sie in einem Café sitzen oder im Bus zur Arbeit fahren.

Es gibt eine Hardcore-Version dieser Argumentation, die noch weiter geht und immer beliebter wird: Nicht nur die Israelis sind legitime Ziele der "Widerstandskämpfer", sondern alle Juden, die sich mit Israel identifizieren, egal wo sie leben. Damit wird dem Terrorismus ein Freifahrtschein ausgestellt und eine Kollektivschuldthese aufgestellt, die jeder billig und gerecht Denkende empört zurückweist, wenn die Rede auf die Verbrechen der Wehrmacht kommt.


Was bedeutet dies für die Bewertung des Terrors? Er wird legitimiert, moralisch und politisch. Problematisch dabei ist nur die optische Komponente. Bilder zerfetzter Leichen machen sich nicht gut beim Abendessen. Also muss der Terror auch ästhetisch legitimiert werden. Und genau dies passiert derzeit, Stockholm setzt nur ein Zeichen.

Wenn der Terror zur Kunst gerinnt, dann mutieren die Terroristen zu Künstlern, die sich auf die Freiheit der Kunst berufen können, dann sind ihre Aktionen Happenings an der Grenze von Fiktion und Wirklichkeit, dann reduziert sich der Unterschied zwischen dem Blut, das in Haifa vergossen, und der roten Flüssigkeit, die in Stockholm verwendet wurde, aufs Symbolische.

Man kann doch Menschen, die beinah aller Rechte beraubt wurden, nicht verbieten, sich wenigstens künstlerisch auszudrücken. Was in den siebziger Jahren das "Orgien-Mysterien-Theater" der Wiener Aktionisten Brus, Nitsch und Mühl war, die sich mit Tierblut beschmierten, das sind heute die Aktionen der palästinensischen Terroristen: Reality-Shows mit politischem Hintergrund. Die Zeiten ändern sich, die Formate auch.

Das hätte der israelische Botschafter in Stockholm bedenken sollen, statt mit Lampen um sich zu werfen. Und wenn er schon nicht an sich halten konnte, dann hätte er wenigstens sagen sollen, seine Intervention sei Teil der Installation. Die Schweden hätten es akzeptiert, die Deutschen auch. Liberale Gesellschaften, die sogar Kannibalismus für eine Frage des Geschmacks halten, verteidigen auch die Freiheit der Kunst bis zum letzten Blutstropfen.


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