Botschafter Stein zu den Militäraktionen Israels als Antwort auf palästinensische Terrorakte
Donnerstag, 18. März 2004
Herr Stein, die Serie der palästinensischen Attentate reißt nicht ab, Israel antwortet mit Militäraktionen. Versagt die israelische Anti-Terror-Strategie?
Wir werden die Strategie der Selbstverteidigung fortsetzen - solange es auf der palästinensischen Seite keine Partner gibt, die diese Aufgabe übernehmen oder die sich bereit zeigen, den Terror mit uns gemeinsam zu bekämpfen. Ich sehe die Bilanz in der Bekämpfung des Terrors aber positiv: Sie registrieren nur die Anschläge. Sie sehen nicht, wie viele Attentate wir verhindern können. Ich gehe davon aus, dass sich mit der Fertigstellung des Zaunes zwischen Israel und den Palästinensergebieten die Zahl der Anschläge weiter drastisch reduziert.
Einerseits wünschen Sie ein gemeinsames Vorgehen, andererseits sagt Premier Ariel Scharon die Gespräche ab. Wie geht das zusammen?
Der Dialog ist nur vorübergehend ausgesetzt. Wenn wir Leute zu Grabe tragen, können wir nicht gleichzeitig Gespräche führen. Aber Premier Scharon gibt die Hoffnung nicht auf, dass Abu Ala und seine Behörde sich doch noch durchringen, ihre Pflichten zu erfüllen. Ich halte dies zwar für unwahrscheinlich, aber man kann dann sagen, wir haben alles versucht.
Ist der Fahrplan zum Frieden, die road map, nicht längst hinfällig?
Der Plan bleibt das Instrument, auf das sich die internationale Staatengemeinschaft, die Palästinenser und Israel geeinigt haben. Er ist momentan auf Eis gelegt. Aber wir bemühen uns, die Rahmenbedingungen für seine Umsetzung herzustellen. Vorbedingung laut road map ist jedoch die Einstellung der Terrorakte. Auf der anderen Seite aber gibt es keinerlei Anstrengungen, dies zu tun. In Anbetracht unserer nationalen Interessen hat Premier Scharon den einseitigen Rückzug aus dem Gaza-Streifen als erste Phase vorgeschlagen.
Können Sie sich vorstellen, dass dort eine internationale Truppe stationiert wird, um eine Machtübernahme durch Islamisten zu verhindern?
Wir sind noch dabei, die Details eines solchen Rückzuges zu bedenken und uns mit den Amerikanern abzustimmen. Aber wir haben grundsätzliche Bedenken gegen internationale Truppen.
Steht Israel unter Zeitdruck?
Hinter dem Rückzug steht die Frage, ob wir auf einen wirklichen Partner auf palästinensischer Seite noch zwei oder auch zehn Jahre warten wollen. Die Antwort lautet angesichts der Bedrohung unserer nationalen Interessen: Nein. Im Interesse unserer Zukunft müssen wir gewisse Risiken in Kauf nehmen.
Spürt Israel zunehmende internationale Unterstützung angesichts der globalen Gefahr des Terrors?
Wir warnen schon seit geraumer Zeit, dass sich der Terrorismus langfristig nicht auf den Nahen Osten beschränken wird, und sind dabei immer auf viel Skepsis gestoßen. Aber wenn der deutsche Außenminister Joschka Fischer den islamistischen Terror jetzt als totalitäre Bedrohung bezeichnet, anerkennt er, dass der Terror ein weltweites Problem darstellt. Es tut uns sehr leid, das es zu diesen schrecklichen Attentaten in Madrid gekommen ist. Aber sie sind eine Bestätigung unserer Warnung, dass der Terror nicht auf den israelisch-palästinensischen Konflikt zurückzuführen ist.
Im Kampf gegen Terror setzt US-Präsident Bush auch auf Demokratisierung des Nahen Osten, den Aufbau von Zivilgesellschaften, Bildung. Dieser Kampf erfordert eine umfassende Stategie.
Die militärische Dimension ist nicht die Einzige - zumal für eine Region, die derartig große Defizite in so vielen Bereichen wie Freiheit, Bildung und Gleichberechtigung der Frauen hat. Das ist ein langfristiges Konzept. Ich hoffe, dass der Westen den dazu nötigen Atem hat. Es liegt in unserem Interesse, prosperierende, stabile Staaten als Nachbarn zu haben.
Mit dem Bau einer Mauer schürt Israel aber doch den Konflikt weiter, statt ihn einzudämmen.
In den neunziger Jahren gab es den Osloer Friedensprozess und viele Hoffnungen - aber immer wieder auch Attentate. Damals kam jedoch niemand auf die Idee, einen Zaun zu bauen. Seine Errichtung ist die Konsequenz des Scheiterns der Verhandlungen in Camp David. Jassir Arafat hat damals die Vorschläge von Premier Ehud Barak abgelehnt. Den Zaun kann man also durchaus als Arafat-Zaun bezeichnen.
Das Gespräch führten Martina Doering und Frank Herold.
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